Grundlagen der Systemischen Therapie
Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen durch die sie
entstanden sind.
Albert Einstein
Eine Grundphilosophie der systemischen Theorie und Therapie basiert auf der
Annahme, dass wir Menschen alle Anlagen in
uns tragen, um uns vollständig zu entfalten. Jeder Mensch hat eine Lebenskraft
in sich, die als „Schatz“ gesehen werden kann. Dieser ist vorhanden, auch in
Zeiten, in denen der Mensch den Kontakt zu ihm verloren hat. Die dadurch verschütteten
Fähigkeiten gilt es wieder aufzudecken und im momentanen Lebenskontext nutzbar
zu machen.
Menschen werden als grundlegend gut angesehen, was heißt,
dass dem Körper eine Weisheit inne wohnt, wonach auch unter ungünstigen
Lebensbedingungen höchstwahrscheinlich eine Entwicklung zum gesunden Erwachsenen hin
möglich ist.
Der auf Wachsen und Entwickeln hin orientierte Ansatz,
prozessorientiert, unterscheidet
sich von dem weit verbreiteten pathologisch-orientierten Ansatz, der die
Krankheit oder das Problem in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt, und der
Focus auf deren Entstehung liegt.
Systemisches Arbeiten ist auf Lösung hin orientiert.
Eine weitere wichtige Grundannahme der systemischen
Therapie ist, dass es keine objektive Realität gibt, sondern dass durch den
Erlebnisschatz eines Mensches er sich ein eigenes Bild von der Welt schafft, und
wir daher nie ein vollständiges Bild von der Psyche eines anderen Menschen
haben können.
Aufgrund struktureller Ähnlichkeiten aller Menschen, können
wir uns aber dennoch verständigen und mit dem Instrument der Sprache
versuchen, die gegenseitige Intransparenz zu überwinden. Auch auf der
Ebene der Körpersprache sind wir, entsprechend unserem gemeinsamen kulturellen
Hintergrund, befähigt in Kommunikation zu treten.
Was bedeutet systemisch?
Das Zusammenwirken einer Familie, eines Paares, einer
Gruppe, eines Teams ist ein System, mit einer Vielzahl an Beziehungen. Jedes Mitglied hat
seinen speziellen Anteil in diesem System. Die aktuellen Kommunikations- und
Beziehungsbedingungen in einem System beeinflussen das individuelle psychische,
und manchmal auch körperliche Befinden der Menschen.
Die über längere Zeit entstandenen Interaktionsmuster, oft schon aus der
Herkunftsfamilie "mitbekommen", haben Haltungen, Ansichten,
tiefsitzende Bilder erzeugt. Diese erzeugen oft in Paarbeziehungen bestimmtes
Verhalten, wodurch in der Kommunikation des Paares eine bestimmte, diesem Paar
eigene Dynamik entsteht.
In der Dynamik von Familienbeziehungen kann es
geschehen, dass ein
Kind in eine Verantwortung geht, die seinem Entwicklungsstand nicht
entspricht. Dies kann sich auswirken in Form eines „Symptoms“, das dann als
Verhaltensauffälligkeit in verschiedener Schwere auftritt. Aus systemischer Sicht sind diese Symptome
(Fehlverhalten, festgefahrenes Konfliktverhalten) Lösungsversuche
einzelner Personen im Familiengeflecht. Diese „Lösungen“ wurden zur
Lebensbewältigung dieses speziellen Lebensweges gebraucht, sie sind also
"sinnvoll" im jeweiligen Lebenssystem. Sie kristallisieren
sich dann aber manchmal als kaum zu bewältigendes
Problem heraus.
Der entstehende Stress bringt oftmals eine Starre mit sich,
die die Beziehungs- und Verhaltensmuster immer weiter verfestigt. Immer mehr
derselben Verhaltensweisen macht das Problem immer heftiger. Ein Gefühl von
„unlösbar“ verstellt den Blick nach vorne, bringt Resignation und fehlende
Motivation in die Familie. Hilfestellung von außen kann helfen, neue
Blickwinkel zu gewinnen.
Systemisch bedeutet, dass schon durch kleine Veränderungen
an einer Stelle des Beziehungs- und Kommunikationsnetzes der Familie, Bewegung
entsteht, die Auswirkungen zeigt. So ist die Chance gegeben, dass neue Lösungswege
erarbeitet werden können, die Familienmitglieder die Möglichkeit haben Kommunikationsmuster zu verändern, neue Plätze
im Beziehungsgefüge zu finden, sich besser zu fühlen.
Aber auch die psychischen Abläufe eines Menschen können
vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Jeder Mensch agiert mit seinem System
von verschiedensten Fähigkeiten und Gefühlskombinationen und tritt damit
seiner Umwelt gegenüber. So kann auch in der Systemischen Beratung das Arbeiten
mit nur einer Person sehr hilfreich sein.
Was heißt lösungsorientiert?
Im eigenen Lebensumfeld wird man leicht betriebsblind,
steckt mit allen Gefühlen und mit allem Engagement in seinem System.
Vor allem der starre Blick der Familie, des Paares auf die
Problemkonstellation, oft auch entstanden durch fehlgeschlagene „Lösungsversuche“
oder Suche nach Schuld, zieht die Spirale immer enger.
Erst mit ein paar Schritten Abstand und der Unterstützung,
neue Standpunkte einzunehmen, kann eine Blickwinkelveränderung
entstehen, so dass eine Lösungsperspektive eingenommen werden kann.
Durch das Herausarbeiten und Vertiefen von gewünschten,
vorgestellten Lösungsbildern
können Klienten wieder Motivation entwickeln, ihre Kräfte nach vorne zu
bündeln.
Der Stimmungsumschwung in eine konstruktive Richtung macht
es möglich, die Augen wieder nach außen zu öffnen und von der Stressposition
in eine Lösungs-Perspektive zu gehen. So
können Familienmitglieder wieder aufeinander zugehen, und mit allen Sinnen
Richtung Zukunft zusammenarbeiten.
Durch Erarbeiten von kleinen Schritten, an den Fähigkeiten
und der Lebenswelt der Familie angeknüpft, werden diese Lösungen in den
Familienalltag eingebracht. Dabei hat jedes Familienmitglied seinen
individuellen, geschätzten Beitrag bei der Erarbeitung und Umsetzung der Veränderungen,
die im Lebensalltag anstehen.
Was bedeutet ressourcenorientiert?
Jeder Mensch, jedes menschliche System hat einen enormen
Speicher an hilfreichen Erfahrungen und Fähigkeiten zur Krisenbewältigung
gesammelt. Jeder Mensch hat als Kind
intensiv und mit Spaß und Neugierde gelernt und hilfreiche Lösungen
gesucht. Auch in seinem weiteren Leben hat jeder, aus kleinen oder großen
Steinen auf seinem Weg, das damals bestmögliche gebaut. .
Im Stress der Lebens-Krise vergessen Menschen oft diese
Erfahrungs-Schätze, diese Ressourcen. Dann schränkt sich das
Verhaltenspotential sehr ein, wird eng, man traut sich nichts zu
und versucht mit immer dem gleichen Verhalten vorzugehen.
Mit vielfältigen therapeutischen Methoden wird in der
systemischen Begleitung sowohl den einzelnen Familienmitgliedern,
wie auch der Familien/ dem Paar in ihrem Zusammenspiel, geholfen,
ihre ureigensten Kräfte und Fähigkeiten wieder zu entdecken und im
Kontext des aktuellen Problemerlebens zu nutzen.
Dazu ist
der Blick in die Vergangenheit wichtig, denn dort wurden viele Hürden schon bewältigt
durch den Einsatz dieser Stärken. Dabei stehen nicht die schlimmen Ereignisse
der Vergangenheit im Fordergrund, sondern die Fähigkeiten, die eingesetzt
wurden diese Erlebnisse zu bewältigen.